Chronik vom 10.7.2001 Ort der Handlung: Calanam'Coupaer, im System CC 1-04 1527 und auf dem Weg zur Raumstation Coupaer'io Zeit der Handlung: 9.06. 2373 Bordzeit: 07.40 Uhr bis 08.30 Uhr >>> Alles soll anders werden <<< >> Brücke << "Klar, die veranstalten Wochenendseminare, für jeden gibts eine Gehirnwäsche und dann lernen die, so zu gucken, um unschuldige Leute zu erschrecken. Wie Monster in einem Kindermärchen." Er konnte nicht anders, bei der Vorstellung mußte er einfach lachen. "Aber ja, Du hast es geschafft. Wir sind stolz auf Dich." Ein auffordernder Blick wanderte zu Sovek, der immer noch hinter seiner Konsole hockte. Rhuissa mußte mit lachen. Sich solche Seminare vorzustellen war wirklich komisch. Außerdem freute sie sich über Yaros Worte. Noch etwas fiel ihr ein. Sie grinste in fast schelmischer Freude. "Ist euch klar, das wir fast 30 siuren Zeit haben? Die Drolae ist einsatzbereit und nicht beschädigt, es gibt nichts zu tun. Das heißt, ich habe Zeit für meine langersehnte Dusche. Sovek, sie haben die Brücke. Kevalha, Mihkro, wenn sie möchten, machen sie Pause. Wir haben noch den Flug zu Coupaer io vor uns." Rhuissa stand auf. Bevor sie die Brücke verlies sah sie Yaros fragend an. Wollte er lieber auf der Brücke bleiben oder zu seiner Krankenstation gehen, oder ebenfalls Pause machen? Es war seine Entscheidung. "Du hast natürlich auch 30 siuren frei, wenn du möchtest. ... Bevor wir losfliegen bin ich zurück." sagte sie. Yaros grinste wieder sein Jungen-Grinsen. Dummerweise waren sie nicht die Einzigen auf der Brücke. Sonst hätte er sie ja fragen können, ob sie allein zu duschen gedachte..... Aber nein, das ging wohl doch noch ein wenig zu weit. "Hm, ja, frei klingt gut.", murmelte er daher, "Ich könnte die Krankenstation ein wenig.... wohnlicher gestalten. Diese Scherzkekse, die dieses Schiff wieder repariert haben, dachten wohl, ich würde mich in einer Standardausführung wohlfühlen. Aber bin ich eine Standard-Mediziner-Ausführung?" Dramatisch breitete er die Arme aus und hob den Blick zu der über ihm liegenden Brückendecke. Rhuissa lachte wieder. "Du und Standard? Nein, nie und nimmer." meinte sie. "Wenn dir etwas fehlt, schreib es auf. Was immer es sein mag. Vom Bleistift bis zur Mooskultur. An der Raumstation wenden wir uns an die Reacor. Irgendwie bin ich sicher, das wir bekommen werden, was immer wir brauchen." Yaros nickte begeistert. Es gab nur eine Person in diesem Universum, die seine Eigenarten respektierte... und bis heute morgen hatte er nicht gewußt, daß Rhuissa es war. Sie drehte sich um und hatte die Brücke schon fast verlassen, als sie noch einmal umkehrte. "Ach ja, wir haben im ganzen Schiff ein komplett neues Computersystem bekommen, ganz neu initialisiert. Alles Standard. Wenn ihr alte liebgewonnene Programme vermissen solltet, dann ... wendet euch an mich. Aber gönnt mir erst meine Dusche." Sie grinste und verbarg damit ihre Verlegenheit. >> Korridor << Schnell drehte Rhuissa sich um und war schon auf dem Korridor. Heute war es ihr ein bißchen peinlich zuzugeben, wieso sie ein Backup sämtlicher alten Programme hatte, so wertvoll es jetzt auch war. Denn angefangen mit Liehs selbst entwickelten Texteditor bis hin zu den komplexen Anwendungen war nichts persönliches mehr in dem neuen System zu finden. >> Brücke << Yaros' Denken kam allmählich mit dem mit, was er gerade gehört hatte. Es gab noch Hoffnung für seine gute, alte Sevenah? Obwohl... es war die Frage, ob es sie noch gab. Immerhin hatte er lediglich das Programm der Krankenstation abgewandelt. Offiziell existierte dieses Programm nicht einmal. Aber er beschloß, Rhuissa einfach in diesem Punkt so einiges zuzutrauen. Wenn sie es schon zu ihrem Hobby erhoben hatte, Backups zu erstellen... Er verließ kurz nach ihr die Brücke. >>Korridor<< Yaros schritt durch die Korridore in Richtung Krankenstation. Die Beleuchtung funktionierte nach langer Zeit wieder, die Helligkeit war ungewohnt. Die Wände strahlten ihm beinahe ihr freundliches Standard-Grau entgegen. Ein Lächeln glitt über Yaros' Gesicht. ... Auch Rhuissa merkte, wie anders der Korridor aussah. Er wirkte so ... gepflegt. Alles war sauber und intakt. Wie hatte dieser Korridor noch heute morgen ausgesehen! Rhuissa schluckte. Es war ihre Schuld als Riov, das das Schiff so vernachlässigt wurde, das sie es jetzt kaum wieder erkannte. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. Leise schlich sie weiter. Sie nahm sich fest vor, das die Drolae nie wieder in einen so schlimmen Zustand kommen sollte. >> Vor Rhuissas Quartier << Rhuissa war tief in Gedanken, als sie ihr Quartier erreichte. Sie öffnete die Tür. Ein fremder Raum lag vor ihr. Verwirrt schloß sie die Tür wieder. Sie hatte sich verlaufen. Wessen Quartier war das? Die Beschriftung verwirrte sie noch mehr: 'Riov Rhuissa il-Faeoh t'Ainama'. "Bei allen Elementen! Bin ich denn total benebelt?" murmelte sie. Vorsichtig öffnete sie wieder die Tür und lugte hinein. Beim genauer Hinsehen merkte sie, das der Raum tatsächlich der Ihre war. Aber er hatte sich noch mehr verändert als der Korridor. Staunend ging sie hinein. >> Rhuissas Quartier << Heute morgen noch hatte in der engen Kabine das blanke Chaos geherrscht. Keine Spur mehr war davon übrig. Alles war aufgeräumt und sauber. Das Bild an der Wand war von Schmutz und Staub befreit. Ihr Bett war frisch bezogen, keine getragene Kleidung und keine leeren Aleflaschen lagen darauf. Auch nicht auf den Boden. Rhuissa sah zum ersten mal seit Jahren wieder die Farbe des Bodens. Auf ihrem Schreibtisch lag nur ein kleiner Stapel Padds neben ihrem Monitor, der alte Stuhl davor mit seinem zerrissenen Polster, dem provisorisch geflickten Bein und den eingetrockneten undefinierbaren Flecken war verschwunden. Ein ganz neuer Stuhl stand an seiner Stelle. Langsam ging Rhuissa zu ihrem Schrank und öffnete ihn. Auch hier das selbe Bild. Saubere Kleidung hing ordentlich an ihrem Platz. Ihre wenigen persönlichen Sachen lagen sortiert in ihren Fächern. In einem Fach standen zwei volle Aleflaschen. Rhuissa schluckte. 'Das glaub ich einfach nicht! Wenn das ganze Schiff so aussieht, dann müssen die mit tausenden von Reinigungsrobotern hier gewesen sein! Ich will unbedingt so einen haben. Na ja, soviel wie ein Schiff dieser Größe braucht.' Neugierig ging sie ins Badezimmer. "Bei allen Elementen, die Toilette ist ja weiß!" entfuhr es ihr. Sie erinnerte sich nur an eine Mischung aus den Farben unappetitlicher Verkrustungen. Auch Becken und Dusche hatten ihr trauriges stumpfes Gelbgrau verloren und blitzen ihr weiß entgegen. Staunend blieb sie stehen. "So Dusche, du wirst eingeweiht." hauchte sie. >> Brücke << Sovek schoß hinter seine Konsole vor, als er was von Dusche gehört hatte und schrie: "RIIIIIIIIIIIIOOOOOOOOOOOOOOVVVVVVVVVVVVV, NEIIIIIIIIIII" Aber sie war schon weg. Sovek hatte gesagt das die Quartiere noch nicht bereit wären.... Schnell tippte er auf sein Kommunikator. Dieser fiel bei seiner nervosität und Hektik hinunter. "RIIIIIIIIIIIIIOOOOOOOOOOOOOOOOOOOYVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVVV!!!!!!!!" Schrie Sovek. "NIIIIIIIIIIIIIIIICCCCCCCCCCCCCHHHHHHHHHTTTTTTTTT...." Sein Kommunikator war kaputt. Schnell liefer er zum Riovstuhl und aktivierte die Schiffskommunikation. Alle auf der Drolae hörten: "RRRRRRRRRRRRRRRRIIIIIIIIIIIOOOOOOOOVVVVVVVVVVVVVVVVV!!!!!!! Nicht duschen. NIIIIIIIIIIIICCCCCCCCCCCCCHHHHHHHHHHHHHHTTTTTTTTT!!!!!" Soveks Augen pumpten Blut und er wurde grün. >> Rhuissas Quartier << Rhuissa hatte ihren Gürtel gelöst und die Uniformjacke ausgezogen, als sie zu ihrer Verblüffung, Soveks Warnung über die schiffsweite Kommunikation hörte. Sie aktivierte ihren Kommunikator. "Sovek was ..." sie stutzte. Wenn er gekonnt hätte, dann hätte Sovek vermutlich seinen Kommunikator benutzt. Rhuissa entschied, an ihren Computer zu gehen und ihm auf dem gleichen Weg zu antworten: "Sovek, wieso denn? Warum soll ich nicht duschen? Ich habs dringend nötig! Braucht die medizinische Abteilung der Reacor eine Probe von meinen blut- und schweißverkrusteten Haaren?" ertönte ihre Stimme auf dem ganzen Schiff. >> Brücke << "Nein lhhei," antwortet Sovek. "Aber die Duschen und Quartiere sind noch nicht technisch Abgenommen worden. Mihkro und ich haben sie noch nicht auf Mängel kontrolliert. Es muß erst eine Technische Abnahme vom Cheftechniker des Raumschiffes gemacht werden bevor die Quartiere der Crew zugänglich gemacht werden." Sovek holte tief Luft und pustete sie wieder aus. "lhhei. Wenn sie schon duschen wollen, nehmen sie ihren Tricorder und aktivieren sie ihre Dusch. Scannen sie bei unteschiedliche eingestellten Dusch-Temperaturen, ob es sich wirklich um die Temperatur handelt den sie eingestellt haben. Sollte alles in Ordnung sein, dann prüfen sie ob die Duschtür perfekt auf und zu geht. Stellen sie sich vor was passiert, wenn die Temperatur zu hoch ist und sie kommen nicht mehr heraus." >> Rhuissas Quartier << Rhuissa schluckte: "Dann werde ich gekocht." antwortete sie. "Danke für die Warnung. Ich werde ..." Plötzlich wurde Rhuissa mißtrauisch. Sie erinnerte sich an den Wortlaut dessen, was Sovek gesagt hatte: 'Bis auf Kleinigkeiten, wie bequeme Quartiere, ist die Drolae bereit.' Sie wußte nicht genau, ob Sovek damit nur die technische Abnahme gemeint hatte. Rhuissa jedenfalls hatte ein technisch einwandfreies Schiff erwartet, aber Kabinen im vorherigen Zustand, unordentlich und schmutzig. Auf jeden Fall war ihr Quartier in bestem Zustand. Warum? Hatte die Reacor-Techniker Crew alle Quartiere der Drolae in so gutem Zustand gebracht oder nur ihres. Respekt vor der Riov? Oder steckte mehr dahinter. Sie wußte immer noch nicht, was die Tal Shiar Chefin der Reacor vor ihr verbarg. Aber sie wußte, was der Tal Shiar von ihr hielt. Konnte es sein, das der Zustand ihres Quartiers über etwas hinweg täuschen sollte? Wenn die Dusche sabotiert war? Wenn die 'Fehlfunktion' auftauchte, eine oder fünf siuren, nachdem sie drunter stand? Ihr Tod würde wie ein Unfall aussehen, wie eine technische Fehlfunktion. Und doch würden Zweifel bestehen bleiben. Etwas unsichtbares, nicht fassbares, würde auf den Tal Shiar zeigen, und als Warnung für andere völlig ausreichend sein. Rhuissa schluckte noch einmal. "Sovek, ich werde nicht duschen, bevor sie mir bestätigt haben, das der technische Zustand meines Quartiers einwandfrei ist. Ich werde die Abnahme abwarten. Nochmals danke für die Warnung." Rhuissa atmete schwer durch. 'Bitte ihr Elemente, laßt mich im Irrtum sein. Laßt alles einwandfrei sein, bitte!' flehte sie in Gedanken. Sie lehnte an die Wand vor ihrem Badezimmer. So etwas wie Trotz regte sich in ihr. 'Oh nein, ich laß mich davon nicht unterkriegen.' Sie wußte auch schon, was sie tun wollte. >> Brücke << Kaum hatte Rhuissa ausgesprochen, deaktivierte er die Kommunikation, schnappte sich ein Tricorder und sagte im heraus laufen: "Igendwer hat die Brücke..." und verschwand. >> Rhuissas Quartier << Keuchend und nach Luft holend stand Sovek vor der Tür zu Rhuissas Quartier. Er aktivierte den Türsensor.... Rhuissa öffnete die Tür. Bis auf die Uniformjacke war sie noch vollständig angezogen. Überrascht und alarmiert sah sie Sovek vor sich. Er war doch gerade noch auf der Brücke gewesen. Mehr und mehr rechnete sie damit, das ihr Verdacht Wirklichkeit war. "Sovek, ist es so ernst? Haben sie was von der Brücke aus entdeckt?" fragte sie. "Nein..., nichts... entdeckt," keuchte Sovek. "Darf ich..." Langsam ging er an Rhuissa vorbei und betrat den Duschraum. Sovek aktivierte die Dusche und scannte so wie er es zuvor Rhuissa es erklärt hatte. "Alles in Ordnung," sagte Sovek und steckte den Tricorder ein. "Sie können unbesorgt duschen Riov. Und ihr Schlafzimmer nehme ich mir heute nachmittag vor." "Danke, das sie so schnell gekommen sind. ... Ist ... ist wirklich alles einwandfrei? Ich meine, auch nach fünf siuren, oder nach 10?" fragte Rhuissa, ein bißchen unsicher. "Sie dürfen, Riov," sagte Sovek. "Ich will sie nicht weiter stören und gehe auf die Brücke." Sovek nickte und verließ Rhuissas Quartier. Rhuissa war wieder allein in ihrem Quartier. Eigentlich sollte sie erleichtert sein, das ihr Verdacht einer eventuellen Sabotage nicht stimmte. Aber allein die Tatsache, das der Verdacht gar nicht so abwegig war und sogar im Bereich des Möglichen gelegen hatte, machte jedes Gefühl von Erleichterung unmöglich. Ja es konnte sein, das ihr Lebenswandel und der Zustand ihres Schiffes sie bei der Galae in Mißkredit gebracht hatte, was der Tal Shiar von ihr hielt wußte sie, und das sie noch immer Feinde hatte, die ihr die Schuld am Verlust ihrer Söhne und Töchter, ihrer Mütter und Väter gaben, das wußte sie auch. Rhuissa seufzte. Es wurde Zeit. Zuerst zögernd, dann entschlossen zog sie sich aus und ging ins Bad. >> Bad << Rhuissa stellte die Dusche an, ging hinein und schloß die Tür der Kabine. Das Wasser war ein bißchen zu warm, sie regelte die Temperatur. Erst dann erlaubte sie sich, unter dem kühlen Wasser zu entspannen. Es war ein unendlich wohltuendes Gefühl, wie sich der Dreck, der vor allem aus Ruß, verkrustetem Blut und Schweiß bestand, von ihrer Haut und ihren Haaren löste. Rhuissa genoß es eine ganze Weile lang, bevor sie zum Duschgel griff. Es war ein Standardgel aus dem Replikator, sie hatte in all den Jahren nie darauf geachtet. Jetzt war es ihr auch egal. Alles was zählte war das Gefühl von Frische, das sich allmählich ausbreitete. Sie blieb länger unter der Dusche, als es nötig gewesen wäre. Es war einfach herrlich entspannend. Schließlich schaltete sie das Wasser aus und griff zum Duschtuch. Sie trocknete sich ab und ging zurück in ihren Wohn-Schlaf Raum. >> Wohn-Schlaf Raum << Im Schrank hatte sie frische Wäsche gesehen. Sie zog sie an und gönnte sich sogar eine neue Uniformen aus dem Schrank. Sie befestigte ihren Gürtel und ihr Rangabzeichen, zog ihre Stiefel an und steckte ihr Kaleh ein. Rhuissa war fertig. Da fiel ihr Blick auf die einladend gefüllte Ale Flasche im Fach vor ihr. >> Brücke << Sovek betrat die Brücke und setzte sich auf den Riov-Stuhl. Die Llaiir hatte auch der Drolae ihren Kurs mitgeteilt. Sovek gab die Daten an Kevalha weiter und danach gab es nur ein warten, den die Drolae war auch soweit hier aus diesem Sektor zu verschwinden. Ganz herrlich. Sovek freute sich schon auf den Besuch auf der Raumstation.... >> Rhuissas Quartier << Wie gebannt starrte Rhuissa auf die Flasche. 'Wie gut, wie entspannend wäre jetzt ein Schluck Ale. Nur einer, ein Einziger!' dachte sie. 'Was ist denn schon dabei! Von einem Schluck werde ich nicht betrunken. Niemand wird es merken, aber ich werde mich besser fühlen.' Ihre Hand streckte sich nach der Flasche aus. Doch sie zögerte. Warum nur? 'Es ist nichts Schlimmes. Es ist doch nur ein Schluck!' sagte eine Stimme in ihr. 'Du weißt genau, das es nicht bei dem einen Schluck bleiben wird.' warnte eine andere Stimme. 'Es ist nie bei einem Schluck geblieben.' 'Doch diesmal schon. Ganz sicher, nur einer.' sagte die erste Stimme. 'Mach dir nichts vor. Wenn du jetzt anfängst zu trinken, wirst du besinnungslos betrunken hier auf dem Boden liegen, während Sovek die Drolae zur Raumstation fliegt und den anderen Riovs eine dumme Ausrede über deine Abwesenheit auftischen muß.' wußte die andere Stimme. 'Nein, diesmal nicht, wirklich nicht. Ich bleibe stark. Nur ein Schluck.' beschwor die erste Stimme. 'Blöde Hlai! Wenn du stark sein willst, dann mußt du jetzt anfangen. Vor dem ersten Schluck. Wenn du aufhören willst, dann höre jetzt auf. Hier!' befahl die andere Stimme. 'Blödsinn, ich kann jederzeit aufhören, wenn ich es will. Ok, ich beweise es. Ein Schluck und dann höre ich auf. Versprochen!' bestimmte die erste Stimme. Ihre Hand berührte die vertraute Form der Flasche. Die andere Stimme griff zu der stärksten Waffe, die sie hatte. Sie zeigte der schwankenden Rhuissa Yaros Bild. 'Willst du IHN enttäuschen?' Rhuissa japste. Das Bild der Drolae erschien. So, wie das Schiff jetzt war. 'Willst du ihn und all das verlieren?' "Nein!" Rhuissa zog ihre Hand zurück, als hätte sie sich an der Flasche verbrannt. Entsetzt und schwer atmend lehnte sie gegen ihren Schrank. Schnell schloß sie mit zitternden Händen das Fach, das die Aleflasche enthielt. Sie wollte doch nicht mehr trinken - sie war so nahe daran gewesen es doch wieder zu tun. Bald würde das Medikament, das der Chefarzt der Reacor ihr gegeben hatte, seine Wirkung verlieren - und was dann!? Erneut sah sie Yaros Gesicht vor sich, hörte in Gedanken seine Worte, die er auf der Brücke zu ihr gesagt hatte. 'Hey, sieh es positiv: Immerhin *hast* Du dies alles ohne Ale durchgestanden.' Ja, diesmal hatte sie die Versuchung durchgestanden. Yaros würde ihr sicher sagen, das Versuchungen völlig normal seien, und das jeder Sieg über eine Versuchung etwas Positives war. Rhuissa schloß die Augen. Diesmal hatte sie es geschafft. 'Ok, ich kann es. Und jetzt gehe ich auf die Brücke und mache meinen Job.' beschwor sie sich. Noch einmal atmete sie tief durch, dann verlies sie ihr Quartier. >> Brücke << Als Rhuissa die Brücke erreichte, war ihr der Kampf mit sich selbst nicht mehr anzusehen. Sie sah, das alles bereit war, um das System zu verlassen. Wie spät mochte es sein, hatte sie zuviel Zeit verloren? Sie ging hinüber zum Kommandosessel, stützte ihren Arm auf die Rückenlehne und schielte kurz auf die Statusanzeigen. "Sovek, wie ist die Situation? Haben wir schon die Anweisung zum Abflug bekommen?" fragte sie. Sovek stand auf und antwortete: "Ja Riov. Die Llaiir fliegt gerade ab. Ich wollte schon den Befehl zum Abflug der Drolae geben. Aber nun sind sie auf der Brücke. Bitte Riov. Alles ist bereit zum Abflug." Sovek zeigte mit der Hand auf den Riov-Stuhl und ging dann zu seiner Station. Rhuissa setzte sich auf den Kommandosesssel. "Dann fliegen wir mit. Kevalha beschleunigen sie." sagte Rhuissa. Sekunden später folgte die Drolae der Llaiir und der Reacor hinaus aus dem System CC 1-04-1527. Rhuissa schaute noch einmal zurück. Hier, in diesem System war alles anders geworden. Sie hoffte, das sie die neuen Veränderungen halten konnte. Ihr eigener Entschluß, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, der neue Zusammenhalt der Crew, und der ungewohnt gute Zustand der Drolae. Sie war immer noch ein altes Schiff, aber zum ersten mal seit sehr langer Zeit wieder technisch in gutem Zustand und gepflegt. Rhuissa flehte die Elemente um die Kraft an, die sie als Riov für die neue Zukunft von Schiff und Crew brauchte. Inzwischen beschleunigte die Drolae auf Warp 6 und lies das System CC 1-04-1527 hinter sich zurück. Für eine Weile würde die erhöhte Partikeldichte in der Nähe des zweiten Planeten daran erinnern, das dort etwas geschehen war, dann würde auch diese Spur verwehen. "Auf zur Raumstation!" sagte Rhuissa. >> Krankenstation << Yaros blickte auf das Padd in seiner Hand. Gleich ein Dutzend von den Dingern hatte man ihm dagelassen. Gleichzeitig damit auch funktionierende Biobetten, Chirugenbesteck, medizinische Tricorder.... halt alles, was auf eine Krankenstation gehörte. Und alles, was Yaros seit Jahren nicht genutzt hatte. Und im Gegenzug dazu vermißte er alles, was er damals an Bord der Drolae mitgebracht hatte - Injektionsnadeln, Verbände, Anspitzer, Bleistifte, Papier... Dinge, die ihn leichter mit seiner Technikphobie auskommen ließen. Dinge, die er nun auf einem Padd festgehalten hatte, weil er weder Stift noch Papier vorgefunden hatte. Blieb nur noch sein Blutweinvorrat. Natürlich hatte niemand daran gedacht, diesen zu ersetzen. Nun, dann mußte es halt replizierter Blutwein tun, bis er einem Händler über den Weg lief. Blutwein.... Von dem klingonischen Wein kam er zu seinem rihannischen Pendant. Ale. Rhuissa. Diese beiden Vokabeln gehörten seit geraumer Zeit untrennbar zusammen. Und selbst sie hatte eingesehen, daß das nicht so weitergehen konnte. Yaros hatte bisher darüber hinweggesehen. Warum auch nicht? Sie war eine von denen, die hier an Bord herumliefen. Aber jetzt.... jetzt hatte sich so einiges geändert. Rhuissa durfte sich nicht weiterhin systematisch betrinken. Das ging nicht. Stand nicht sogar das Schicksal dieses Schiffes auf dem Spiel? Aber was viel wichtiger war: Rhuissa war viel sympathischer, wenn sie ihn klaren Blickes begegnete. Und das war wichtig für ihn geworden. Yaros nahm die Beine vom Tisch und starrte einen sehr langen Moment den Computer auf dem Tisch an. Irgendwie ging das, das wußte er... "Wenn ich die Borg mit unseren Waffen verjagen kann, dann kann ich auch eine verflucht einfache Comverbindung mit einem Schiff herstellen.", brummte er vor sich hin, als er den Bildschirm berührte. Die Darstellung änderte sich und er zuckte zurück. Wie auch immer, aber nach vielen Umwegen fand er durchaus die Möglichkeit, eine Comverbindung aufzubauen. Er holte tief Luft. Was sollte er überhaupt sagen? "ChR Drolae an die Krankenstation der ChR Reacor. Hier spricht Ya... Dr. Quissar. Ich muß dringend mit ...ähm... Ihrem Chefarzt sprechen." Er legte die Stirn in Falten. Ob das alles so richtig war? Nun, er würde es bald selbst erleben. Noch einmal starrte er auf die Darstellung des Monitors. Wie war das noch mit intuitiver Bedienung? Er legte die Füße wieder zurück und wartete ab. >> ChR Reacor, Krankenstation << Caevrha hatte noch einige Vorbereitungen getroffen, einen zukünftigen Gast betreffend. Sie hatten vor allem Injektoren und Ampullen zum Inhalt und waren nun beendet. Dafür wartete ein Comruf. Caevrha warf sich seine Uniformjacke über die Schultern, verzichtete jedoch darauf, in die Ärmel zu schlüpfen, dennoch war sein Tal Shiar Symbol gut zu erkennen. Er öffnete den Kanal und blickte auf ein Paar Stiefel... "Ja, bitte?" fragte er in freundlichem Ton die Stiefel. "Was kann ich für sie tun?" >> ChR Drolae, Krankenstation << Yaros plumpste fast von seinem Stuhl, als er hastig die Beine vom Tisch nahm. "Oh... äh.. entschuldigen Sie. Es... ich... Einen Moment bitte." Schnell rückte er sich zurecht, zog seine Uniform gerade, faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und begann noch einmal: "Ich hätte gern Ihren Rat in einer Angelegenheit, die mir sehr wichtig ist. Soweit ich weiß, ist Ihnen aufgefallen, daß Rhu... Riov t'Ainama ein Problem mit ihrem Ale-Konsum hat. Ich würde gern Ihre Meinung dazu hören. Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Haben Sie bereits irgendwelche Maßnahmen ergriffen? Und wie ist Ihr persönlicher Eindruck von ihr?" Yaros stoppte sich und holte Luft. 'Nicht alles auf einmal, alter Knabe.', dachte er sich. >> ChR Reacor, Krankenstation << Caevrha wartete ruhig und ohne zu lächeln ab, bis der andere Arzt - das Protokoll des Rufes verriet ihm die Identität des Rufenden - fertig war, vor allem auch damit fertig, sich richtig ins Bild zu rücken. "Ich habe mit Lhhei t'Ainama gesprochen, und sie hatte sich bereit erklärt, eine Therapie zu beginnen. Meiner Meinung nach ist dies sehr sinnvoll und meiner Überzeugung nach kann sie es auch schaffen. Ich weiß nicht wie weit ihr Einblick in die Materie reicht, deshalb werde ich ihnen die Form der Therapie, die mir vorschwebte kurz erläutern: Ich habe Zugang zu modernen Medikamenten, welche die Folgen des Abusus lindern und die physische Suchtsymptomatik weitgehend ausschalten können. Die Behandlung kann ich hier an Bord ambulant durchführen. Allerdings würde die weit schwierigere Arbeit an ihr selbst und auch an ihrem Umfeld, sprich an ihnen hängen bleiben, nämlich die Behandlung der psychischen Ursachen. Am sinnvollsten wäre es natürlich, die Patientin stationär in einer Schwerpunktklinik aufzunehmen, die Entscheidung liegt jedoch bei ihr selbst und auch bei ihrem behandelnden Arzt." >> ChR Drolae, Krankenstation << Yaros sann einen Moment nach. "Hm... ja, Sie haben recht. Mit Medikamenten die Begleiterscheinungen zu unterdrücken, halte auch ich für durchaus sinnvoll, damit sie sich auf das Ziel konzentrieren kann. Aber sie in eine Klinik zu stecken... Wie stellen Sie sich das vor? Sie kann keinen Urlaub nehmen. Das geht nicht, vor allem nicht jetzt. Haben Sie schon einmal von der Salush-Therapie gehört? Kurz zusammengefaßt geht es dabei darum, weniger einen Entzug durchzuführen und statt dessen den Patienten anzuleiten, sich im täglichen Leben bewußt mit Alkohol und seiner Wirkung auseinanderzusetzen. Der Alkohol wird nach der Entgiftungsphase nicht weiter entzogen, sondern kann auf Wunsch des Patienten in direkter Reichweite stehen. Es liegt an ihm selbst, ob er trinkt oder nicht. Ich meine, die Begleiterscheinungen können mit Medikamenten verringert oder unterdrückt werden, aber das Problem ist doch der Umgang mit Ale. Sie hat ihn doch Tag für Tag um sich. Und wie kann ich sie dann erst monatelang abschotten und sie dann wieder in die Realität loslassen? Das geht doch alles wieder von vorn los. Und daher will ich versuchen, sie an dieses Modell heranzuführen. Glauben Sie, daß Riov t'Ainama das schaffen könnte?" >> ChR Reacor, Krankenstation << Caevrha nickte, er kannte diese Therapieform. "Im Grunde, und theoretisch gesehen ist die Salush-therapie tatsächlich die beste Form, doch bedenken sie, daß auf Planeten, wo sie üblicherweise angewandt wird das Umfeld größer und die Möglichkeiten, Ausgleich für den Alkohol-Kick, und Ablenkungen davon zu finden größer sind. Sogar in einer Großstadt kann die Therapie aufgrund des begrenzten Raumes fehlschlagen - es sind sogar Fälle hierzu dokumentiert - weil einfach die Versuchung zu groß ist. Und auf einem Raumschiff... ich denke daß muß ich nicht extra erläutern, sie verstehen sicher was ich meine." Caevrha faltete die Hände. "Natürlich sehe ich ein, daß ein Urlaub nicht in Frage kommt, auch wenn es natürlich möglich wäre, bei er galae einen Entziehungsurlaub zu beantragen, bei der Akte Riov t'Ainamas..." Caevrha blickte auf ein Padd, welches ihm die Akte zeigte. "...wäre diese sozusagen der 'Todesstoß'... Versuchen sie, was sie für richtig halten, aber bezugnehmend auf die Tallhinho-Studien aus würde ich ihnen raten, sie in ihrem natürlichen Umfeld zunächst von jeder Versuchung zu isolieren, und sie langsam an den richtigen Umgang heranzuführen. Auch würde ich ihnen raten einen Kheinsa anzufordern - der Drolae steht offiziell einer zu, falls sie noch keinen hat - der sie in ihrer Arbeit unterstützt." >> ChR Drolae, Krankenstation << Yaros lächelte. "Von jeder Versuchung? Von *jeder*? Sie kennen unser Schiff nicht wirklich, oder? Das ist der Grund, warum mir diese Therapieform eingefallen ist. Wenn ich sie wirklich davon fernhalten sollte, müßte ich sie in einem einzigen Raum einsperren. Und die Replikatoren umprogrammieren. Und die Crewmitglieder einweihen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Ich werde wohl eher versuchen, sie ohne Entzugszeit in ihrem gewohnten Umfeld zur Normalität zurückzubringen. Ich denke, das ist das kleinere Übel." Yaros lehnte sich ein wenig in seinem Sessel zurück und kurz huschte ein Grinsen über seine Züge. "Wissen Sie, was dies für ein Schiff ist? Welchen Ruf es besitzt? Nein nein, werden Sie nicht verlegen, ich weiß durchaus Bescheid. Worauf ich hinaus will, ist nur: Können Sie sich vorstellen, welche Art von Kheinsa man uns schicken würde? Und können Sie sich vorstellen, daß sie der Riov wirklich helfen würde? Bei allen Ansprüchen, die wir auf eine Kheinsa haben - die Elemente mögen verhüten, daß wir eine bekommen werden... Ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Würden Sie bitte dafür sorgen, daß wir eine ordentliche Portion dieses Medikamentes bekommen, welches Sie erwähnten? Ich hoffe, daß ich trotz aller unglücklichen Umstände doch etwas auf die Beine gestellt bekomme." >> ChR Reacor, Krankenstation << "Dr. tr'Quissar, ich muß mich nun leider entschuldigen, meine Patienten warten... Wenn sie noch Fragen haben können sie sich gerne an mich wenden, des weiteren empfehle ich ihnen auf jeden Fall alles zu versuchen wovon sie überzeugt sind, daß es Erfolge bringt, Riov t'Ainama ist denke ich stark genug um zu kämpfen, wenn sie ein ziel vor augen hat, geben sie ihr das und zeigen sie ihr, daß sie in dem Kampf nicht alleine ist... Entschuldigen sie bitte..." Caevrha war aufgestanden als die vielen Stimmen aus den Behandlungsräumlichkeiten in sein Büro drangen. Die Verbindung war beendet. >> ChR Drolae, Krankenstation << Yaros schaute noch etwas irritiert, als Caevhra sich von seinem Personal ablenken ließ und schon gar nicht mehr dazu kam, ihm zu antworten. Aber gut, vorerst war ja nun alles gesagt. Blieb nur noch die Umsetzung in die Praxis... "Ach Rhuissa, Du wirst mich hassen. Aber es ist zu unser aller Besten...", seufzte er. Er ging zum Replikator hinüber und hielt nur einen Moment später ein alkohlfreies Ale in der Hand. Gespannt nahm er einen Schluck - und hätte ihn fast wieder ausgespuckt. "Arme Rhuissa...." Er ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. "Sevenah?" Nichts passierte. "Ach ja... Dich haben sie ja auch hier rausprogrammiert. Computer? Ich brauche alle Informationen zur Salush-Therapie, die zur Verfügung stehen." >> Brücke << Eine Anzeige auf Rhuissas Konsole erlosch. Die Anzeige über eine Subraumverbindung zwischen der Krankenstation der Drolae und der Krankenstation der Reacor. Die Anzeige hatte sie leicht nervös gemacht, nun machte das Verlöschen sie noch eine Spur nervöser. "Ich bin gleich wieder da." sagte sie ganz unprofessionell und verschwand von der Brücke. >> Krankenstation << Zwei siuren später steckte Rhuissa ihren Kopf durch die Türe der Krankenstation. "Yaros? Störe ich?" fragte sie. Yaros drehte sich in seinem Stuhl herum. "Ich müßte lügen, wenn ich sagte, es ist gerade ein ganz ungünstiger Moment, weil ich ja sooo viel zu tun habe.", lächelte er. "Komm nur herein und mach es Dir gemütlich - sofern man das hier noch kann." Er breitete die Arme aus in einer Geste, die die gesamte Krankenstation umfaßte. "Schrecklich, was die hier veranstaltet haben, nicht wahr? Es wird Monate dauern, sie wieder so hinzukriegen, wie sie gehört." Yaros war noch nie ein Meister der Konversation gewesen. Aber er hoffte, es Rhuissa ein wenig leichter zu machen. Ihren Zügen nach zu urteilen, war sie nämlich nicht gerade auf eine Tasse Kaffee vorbeigekommen. So unauffällig wie möglich setzte er sich vor das replizierte Ale (bzw. das, was so tat, als wäre es eines) und wies auf einen weiteren Sessel, in dem Rhuissa Platz nehmen konnte. Ein bißchen zögernd nahm Rhuissa Platz. Sie wußte nicht ganz, wie sie anfangen konnte. Vielleicht mit dem Stichwort, das Yaros ihr gegeben hatte? "Ja, die Krankenstation wirkt so unpersönlich. Gar nicht wie Deine." sie sah sich um: "So ... antiseptisch." Sie lächelte ein bißchen: "Das paßt eigentlich zu einer Krankenstation, aber ... die Persönlichkeit fehlt." Sie schwieg einen Moment. "Yaros? Ich hasse Nachtschichten. Sie sind entsetzlich öde. Ich bin allein, und gar nichts geschieht. Die Gedanken kommen, wie kurz vor dem einschlafen, nur das ich nicht einschlafen darf. Ich muß wach bleiben, und die ganze Nacht aushalten. Meist fange ich an, etwas zu trinken, damit die Nacht sich nicht so endlos lang dahin zieht. Irgendwann suchte ich während einer solchen Schicht nach einer Beschäftigung. Irgendetwas was ich tun kann, wenn ich Nachtdienst habe. An dem Tag hatten wir einen Computercrash gehabt und wir haben geflucht, um die alte Kiste wieder in Gang zu bekommen. Ich fing an aus purer Langeweile sämtliche Computerdaten zu sichern. Dateien, Programme, Konfigurationen, bis hin zu den Systemdateien, auf die nur mit meinem Sicherheitscode zugegriffen werden darf. Es verging fiel Zeit dabei. Das half mir die Nacht zu überstehen. So habe ich mir angewöhnt alle 10 Tage, wenn ich Nachtdienst habe, einen vollständigen Backup aller Systeme, Programme und Daten anzulegen. Das Backup wandert in den Safe in meinem Bereitschaftsraum. In der Nacht gestern, nein vorgestern oder? Ich hab ein bißchen mein Zeitgefühl verloren. Egal, auf jeden Fall in der Nacht vorher hatte ich Dienst. Das Backup ist intakt. Deshalb habe ich auch Deine Sevenah in dem Zustand, wie sie zu Beginn der Nacht war. Du kannst sie einfach neu installieren. "Ich... ähm..." Yaros kratzte sich verlegen hinter dem linken Ohr. "Ich weiß jetzt gar nicht, was ich so recht sagen soll... außer danke vielleicht. Sevenah war eigentlich mehr eine Schnapsidee von mir - ich befürchte, das trifft es wortwörtlich - aber mittlerweile habe ich mich so an sie gewöhnt, daß ich sie jetzt schon vermißt habe. Auch wenn sie manchmal ein wenig eigenwillig ist." Sein Lächeln machte einem ernsteren Gesichtsausdruck Platz, als er weitersprach: "Ich verstehe gut, wie Du das meinst mit der Nachtschicht. Viele Stunden allein zu sein, die Gedanken als einzige Gefährten... Die Faszination, die Sterne draußen beim Vorbeiziehen zu beobachten, ist sehr schnell gestorben, hm? Daran, Computerdateien zu sichern, habe ich noch gar nicht gedacht. Ich hatte viel zu viel damit zu tun, nicht einzuschlafen. Ich muß gestehen, das ein oder andere Glas Ale ist auch während meiner Schichten verschwunden. Aber ich befürchte, daß es bei mir weniger ein Problem war als bei Dir, oder? Das richtige Maß zu finden, aufzuhören, wenn es kritisch wird. Niemand ermahnt Dich, niemand sagt Dir, wann Du genug hast... Ich denke, daß die Beschäftigung mit den Backups eine sehr gute Idee war. Es ist zwar eine sehr langwierige und nicht gerade interessante Tätigkeit, aber Du hast versucht, etwas sinnvolles zu tun. Das ist ein guter Schritt. Ich bin mir sicher, daß wir es bis zum nächsten auch noch schaffen und für dies eine Lösung finden." Er schwieg und sah sie an. "Ich muß eine Lösung finden. Ich habe gar keine andere Wahl mehr." sagte Rhuissa: "Solange wir unsere Arbeit ablieferten, sind wir der Galae immer egal gewesen. Das getrunken wird, wen hat das gekümmert!? Auf Patrouillenflügen wird fast immer viel getrunken. ... Aber jetzt weiß die Galae das es bei mir anders ist. Ich trinke nicht nur aus Langeweile, nein, ich kann nicht mehr ohne Ale auskommen. ... Aber die Drolae ist immer noch ein Galae-Schiff und die Galae wird niemals eines ihrer Schiffe einer Riov anvertrauen, die nur noch teilweise dienstfähig ist ... und teilweise besinnungslos irgendwo rum liegt. Wenn ich es nicht schnellstens im Griff bekomme, dann nimmt man mir die Drolae ab, und dann bin ich verloren. Dabei hat sich gerade jetzt alles verändert. Noch vor ein paar Tagen war ich überzeugt, alles sei mir egal. Aber das stimmt nicht. Die Drolae bedeutet mir viel und die Crew auch. Ich weiß erst jetzt, das ich in den letzten Jahren nicht mehr gelebt habe. Aber ich will wieder leben ... hier und mit euch. ... wenn mir aber die Kraft fehlt es ohne Ale zu schaffen ... was dann? In den letzten Jahre war ich zu 95% meiner Zeit schwach, jetzt muß ich plötzlich zu 100% stark sein und das für immer. Yaros, wie soll ich das schaffen, trotz aller Entschlossenheit die ich jetzt habe? ... Ich habe Angst!" Mit fast schmerzhafter Intensität stand Verzweiflung in diesen großen Augen. Yaros schluckte. Lieber wollte er mit dem Schiff untergehen, als diese Frau jemals zu enttäuschen... Er erhob sich von seinem Sessel, ging zu ihr hinüber und ließ sich auf einem Knie neben ihr nieder, um ihr in die Augen sehen zu können. Ihre viel zu kalten Finger haltend, begann er: "Etwas kann Dir helfen. Helfen, den Mut nicht zu verlieren, helfen, dies alles durchzuhalten. Und vielleicht helfen, endlich ein neues Leben zu beginnen. Du bist nicht allein, Rhuissa. Ich bin da, um Dir zu helfen. Und wir werden das gemeinsam durchstehen. Von jetzt an werde ich Dich auf die Prioritätenliste meiner Patienten ganz oben hinsetzen. Wenn Du mich brauchst, wenn Du spürst, daß Du schwach wirst - dann komm zu mir. Und die endlosen Stunden der Nachtschichten werden wir gemeinsam durchhalten. Ich weiß, daß Du das schaffen kannst. Denk daran: Dies ist unser Zuhause und wir werden darum kämpfen, daß es das bleibt. Hörst Du? Wir werden das schaffen." Yaros biß sich auf die Unterlippe. Hätte ihm vor ein paar Tagen jemand gesagt, daß er so patriotisch daherreden würde, er hätte ihn ausgelacht. Aber viel war seitdem geschehen. Und vieles davon hatte etwas in ihm zum Rollen gebracht. Rhuissa kämpfte mit den Tränen. Sie hielt Yaros Hände, aber am liebsten würde sie in seinen Armen liegen und sich so geborgen und beschützt fühlen wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Wie überhaupt jemals? Nein wahrscheinlich nicht, denn damals als sie sich geborgen und sicher gefühlt hatte, da war ihr dieses Gefühl von Verletzbarkeit fremd gewesen. Jetzt aber wußte sie nur zu gut, wie verletzlich und verwundbar sie war. Es mußte wundervoll sein, seine Schulter zum Anlehnen, ganz schwach sein zu dürfen und trotzdem nicht ins Bodenlose zu fallen, sondern Arme zu spüren, die stark waren und sie hielten, zu spüren wie seine Kraft und Stärke allmählich auch in ihr Bewußtsein flossen ... Rhuissa schluckte. Sie kämpfte weiter mit den Tränen. Das ging zu weit. Damit überschritt sie eindeutig die Grenze von Yaros neu entstandener Freundschaft zu ihr. Diese Freundschaft aber war ihr wichtig. Sie suchte nach Worten, irgend etwas mußte sie antworten, aber sie war viel zu bewegt, um Worte zu finden, die ausdrücken konnten, was sie sagen wollte. Sie schluckte. "Es ist ein Tag der extremen Superlative. ... Dennoch ... Ich bin sicher, das noch nie jemand so viel für mich getan hat wie du." 'Du allein bist Grund genug es schaffen zu wollen.' dachte sie, aber das sprach sie nicht aus. "Es ist wundervoll zu wissen, das du immer da sein wirst. Sogar während der Nachtschicht. ... nicht allein damit sein ..." Nein Worte konnten nicht annähernd ausdrücken, wie bewegt sie war. Yaros schluckte erneut und lächelte ein wenig unsicher. Er merkte ein paar Gedanken zu spät, daß er sich in eine Sackgasse geredet hatte. Wie sollte er hier wieder herauskommen? "Dieser Tag war anstrengend, ja. Ich glaube, ich habe soviel Aufregung die letzten Jahre nicht gehabt. Aber alles hat seine guten Seiten, Rhuissa. Dieses Schiff sieht wieder beinahe aus wie neu. Und ich bin mir über so einige Dinge klargeworden, über die ich vorher nicht einmal nachgedacht hatte. Und ich bin froh darüber." 'Und es schmerzt, Dich hier sitzen zu sehen, Dir nicht einmal sagen zu können, warum Du mir so wichtig bist.', seufzte er in Gedanken. Er wurde sich der schlanken Finger zwischen den seinen bewußt und ließ sie wieder los - vielleicht eine Idee hastiger, als er beabsichtigt hatte. Er mußte sich irgendwie aus der Affäre ziehen, dies konnte nicht so weitergehen. Doch wie die richtigen Worte finden? Worte, die das dünne Band des Vertrauens zwischen ihnen nicht zerreißen würde? Yaros war sich fast sicher, über dieses Band zu stolpern... Er griff zum Schreibtisch, zog dort ein Padd herunter. "Dies sind alles Informationen, die mich in die Lage versetzen sollen, Dir zu helfen. Es ist mir ernst damit, das weißt Du. Wenn Du möchtest, kannst Du das hier mitnehmen, um es zu lesen. Damit Du... damit Du nicht unvorbereitet bist." Rhuissa schluckte. Yaros hatte sich also bereits konkrete Gedanken über ihr Problem gemacht. Er konnte ihr helfen, dieses Gefühl wurde fast zur Sicherheit. "Danke," sagte sie und nahm das Padd an sich wie ein kostbares Geschenk. "Yaros? Werde ich dieses Medikament bekommen, was der Chefarzt der Reacor mir gegeben hat? Wie lange werde ich das brauchen?" Yaros erhob sich wieder von seinem Knie. Der Jüngste war er auch nicht mehr... "Du wirst es bekommen, ja. Der Arzt auf der Reacor hat mir versprochen, es mir in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Aber Du wirst es so wenig wie möglich bekommen. Es ist ein Hilfsmittel, keine Lösung. Es wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, Deinen Körper zu entgiften, von den Entzugserscheinungen zu befreien. Dein Problem steckt hier." Er legte seine Hand für einen kurzen Moment auf Rhuissas Kopf. "Was wir überwinden müssen, ist Dein Verlangen und Deine Gewohnheit. Und das steckt alles da drin. Und ich denke, daß es sehr viel schwieriger ist, wenn Du nicht einmal spürst, daß Dein Körper die Entzugserscheinungen nach und nach aufgibt. Du darfst Dich nicht allein auf die Wirkung des Medikaments verlassen. Du mußt selbst an Dir arbeiten, daß Du nicht in alte Gewohnheiten zurückfällst. Erst wenn Du Dir selbst sagen kannst, daß Du Dein Verlangen überwunden hast - erst dann ist dies ein Schritt in die richtige Richtung. Es wird nicht leicht werden, das habe ich bereits gesagt. Aber selbst wenn es schwer ist, ist es immerhin nicht unmöglich." "Ich rechne ganz sicher nicht damit, das es leicht wird." seufzte Rhuissa: "Aber es hat mir schon Angst gemacht, wie schlecht es mir ging auf der Krankenstation der Reacor ohne Ale, bevor ich das Medikament bekam. Wie sollte ich in dem Zustand arbeiten?" Plötzlich blitze ein fast schelmisches Lächeln in ihren Augen auf: "Klingt komisch, wenn ich das sage, oder? Ausgerechnet ich! Wie oft war ich einem Zustand, in dem ich eigentlich gar nicht mehr arbeitsfähig war!" Das Lächeln verschwand wieder. "Aber du hast recht, mein Problem liegt in meinem Kopf. Das darf ich nicht vergessen." "Und das hübsche Köpfchen kriegen wir auch schon wieder hin. Ich muß ehrlich sagen, ein wenig seltsam klingt dies alles schon aus Deinem Munde. Aber ich erkenne mich auch nur ansatzweise wieder. Ich meine, wir sitzen hier und wir... wir.. diskutieren über Ale.. und -" Er schluckte kurz. Wieder mal eine Sackgasse. Wußte Rhuissa eigentlich, warum Yaros so motiviert war, sie zu einem normalen Leben zurückzuführen? Daß ihm plötzlich so bewußt geworden war, wie sehr er Rhuissa mochte, wenn sie nüchtern gewesen war? Es waren seltene Momente, aber ja, es hatte sie gegeben. '... und ich führe mich auf wie ein hormonüberladener Jüngling.', war das, was er nicht auszusprechen wagte. Stattdessen setzte er fort: "...und wir sollten eigentlich beide unseren Tätigkeiten nachgehen. Aber ich hoffe ehrlich, daß Du es schaffst, Rhuissa." Es klang seltsam aus ihrem Munde? Da hatte Yaros zweifellos recht. Rhuissa wußte selbst kaum, wie ihr geschehen war. Es erschien ihr, als wäre ihr Leben 12 Jahre lang stehen geblieben, oder als hätte sie 12 Jahre lang geschlafen und wäre gerade erst aufgewacht - immer noch belastet mit den Alpträumen einer viel zu langen finsteren Nacht. Aber das Leben war weiter gegangen, und es ging auch jetzt weiter. Es wartete nicht darauf, ob Rhuissa fähig war aufzuwachen ... "Du hast recht, ich sollte arbeiten." Rhuissa stand auf: "Das wichtigste ist gesagt. Jetzt muß ich meine Vorsätze in die Tat umsetzen." "Also gut, kehren wir beide zur Arbeit zurück." Auch Yaros erhob sich, lächelte Rhuissa an und machte ihr den Weg zur Tür frei. Er ließ seinen Blick weiterhin auf ihr ruhen und knabberte auf seiner Unterlippe herum. Wenn er es jetzt nicht sagte, wäre es zu spät... Er schloß die Augen, atmete einmal tief durch und schaute wieder der gehenden Rhuissa hinterher. Als sie die Tür fast erreicht hatte, sagte er: "Rhuissa, ich habe heute nacht die Nachtschicht. Wenn Du nicht zu müde bist und Lust hast, die Nacht mit einem Kerl wie mich zu verbringen, dann... komm doch nachher mit auf die Brücke. Wir könnten... könnten zusammen - " Die letzten beiden Worte wurden leiser und Yaros' Züge färbten sich leicht ins oliv. Er räusperte sich und beendete seinen Satz gefaßt: "Wir könnten zusammen die Nachtwache machen." Erwartungsvoll blickte er sie an. "Das mach ich sehr gerne ..." sagte Rhuissa: "Ehrlich gesagt, freu ich mich drauf." Khhe'tcha, wußte Yaros überhaupt, wie gefährlich attraktiv er aussah, wenn er ein bißchen grün wurde? Rhuissa wunderte sich beinahe, das ihr das nie so aufgefallen war. Doch jetzt pochte ihr Herz viel zu laut und viel zu schnell. 'Ich muß verrückt gewesen sein, mich so zu betäuben!' dachte sie. Oder hatte sie nur versucht, sich zu schützen? 'gefährlich attraktiv'? Hatte sie Angst? Ihr Pulsschlag erhöhte sich noch mehr. Ja, sie hatte Angst! Angst und Sehnsucht zugleich. Doch das half nichts, die Betäubung durch den Alkohol sollte es in ihrem Leben nicht mehr geben, sie mußte einen neuen Weg finden. Wie auch immer der aussah, Yaros würde zukünftig eine Rolle in ihrem Leben spielen. "Bis später," sagte sie, als sie die Krankenstation verlies. .......... Ende der Chronik ............